Bettina Khano

Dustin Breitenwischer

 

 

 

 

Wolke

Hinter der Weite eines Feldes fällt der Blick auf das Grün eines Waldrands. Die Blickende spürt die Erfahrung von Distanz, die nicht unüberbrückbar, aber notwendig ist. Der Blick tastet. Mit den wachen Augen blickt die Betrachterin in das Grün, verliert sich darin aber nicht, sondern wird von ihm gehalten. Dies ist der nachdrückliche Appell von Bettina Khanos Arbeit: Es gilt abzuwarten, was dem Blick aus dem Dickicht des Grüns anheimfallen wird; was den Blick in der Weise seines Blickens herausfordern und ihn als seine eigene Installation der Betrachtenden gewahr werden lässt. Es ist eine bewegte Distanz, die sich im Vollzug des Blickens zu erkennen gibt. Bewegt sind die Wipfel und das Gras; bewegt sind Wahrnehmung und Vorstellung. Und in der Spannung, die sich zwischen Distanz und Bewegtheit abspielt, entsteht Erwartung. Mit der Kraft der Ungewissheit und in der Hoffnung auf eine Entgegnung wirft der Blick immer neue Vorahnungen voraus in das Grün: in einem solchen Blicken gibt sich die Erwartung zu erkennen. Sie schiebt sich in den Zwischenraum des Blickens und erscheint, wie ein Schleier, vor dem Grün, über dem Gras, unter dem Blau des Himmels. Der Blick ist außer sich und erkennt sich dabei in seinem unbedingten Maß. Und so zieht ihn dann die Erwartung hinaus in den Bereich ihrer Unverhofftheit, wo der Blick sich anschickt, dem Schauspiel seiner unsichtbaren Bezüge beizuwohnen. Er ist gehalten in einem Rauschen, mit dem sich die Wolke endlich ankündigt. Die Wolke erscheint in einem Rauschen und ist selbst immer schon die Erscheinung des Rauschens als solchem. Ephemer entschwindet sie dem Grün und wird skulptural ihre eigene Verhältnismäßigkeit. Zwischen Wald und Lichtung, zwischen Pfad und Himmel wird sie sich schleierhaft. Und darin ist sie resonant. Sie verhält sich nicht integrativ oder kontrastierend zur sie umgebenden Landschaft. Vielmehr lässt sie sowohl ihre eigene als auch die Verortung ihrer Betrachterin auf eine besondere Weise spürbar werden. Gerade zwischen Integration und Kontrast, jenseits von Harmonie und Ganzheitlichkeit werden beide zu ihren gegenseitigen Resonanzräumen. Die Wolke erzeugt dann aber keine aufdringliche Spannung, sondern setzt behutsam in Beziehung. Sie widersetzt sich den Umrissen und gestaltet umso eindringlicher die Auflösung ihrer Form. Wann beginnt die Wolke, Wolke zu sein? Wann hört sie damit auf? Die Wolke erscheint und lässt erscheinen. Die Wolke verschwindet nicht, indem sie sich auflöst. Sie verschwindet in sich selbst. Sie ist in sich und aus sich heraus verbunden und dabei immer schon das Verbindende selbst. Mal tritt sie hervor, mal bleibt sie versteckt. Immer aber setzt sie sich aus. Hinter der Weite eines Feldes fällt der Blick auf das Grün eines Waldrands. Die Wolke kündigt sich an mit einem Rauschen. Und dabei ist sie immer schon Hüterin der Illusion, stets nur diese eine Wolke zu sein. So oder anders.

Dustin Breitenwischer