Bettina Khano

Jörn Schafaff

 

 

 

Bettina Khano

28.3. 2014 – 18.5.2014, Oldenburger Kunstverein

Hier und woanders, davor und dahinter, anwesend und abwesend zugleich. Bettina Khanos Arbeiten konstruieren Erfahrungsräume, in denen sich die Ambivalenz gegenwärtiger Existenz in exemplarischer Weise nachvollziehen lässt. Ihre Setzungen changieren zwischen Bild und Objekt, die von ihr verwendeten Materialien sind kühl-technoid und vermögen es doch, geradezu magische Oberflächeneffekte herzustellen, die den Betrachter nicht nur visuell, sondern mit seiner gesamten Körperlichkeit einbeziehen. Es entstehen Szenerien, die formal an die erweiterten Situationen der Minimal Art erinnern, in jüngster Zeit aber auch die Vorstellung konkreter Räumlichkeiten evozieren, eines Schlafzimmers etwa oder eines Salons. Hierfür knüpft sie an die Bühnenhaftigkeit oder Theatralität an, die seit der Minimal Art als Merkmal raumbezogener, raumbildender Kunst gilt. Gleichzeitig verwendet sie Mittel und Verfahren, die tatsächlich aus den Bereichen des Theaters und des Kinos stammen. Lose und flexibel befinden sich einzelne Exponate im Raum, solitär und doch auf eine bestimmte Art und Weise miteinander verbunden, durch ihre Materialität, durch ihre Platzierung, durch eine Atmosphäre. So gerät nicht zuletzt die Ausstellung selbst in den Fokus und mit ihr jener Raum, der nach wie vor das Machen, Zeigen und Betrachten von Kunst bestimmt: der White Cube.

Angelockt werden wir durch ein skulpturales Objekt, das sich in seiner Erscheinung einer materiellen Zuordnung widersetzt (HD RF-1025, 2014). Mal scheint es wie ein weicher, samtiger Umhang, der gerade mitten im Raum abgestreift und achtlos liegengelassen wurde, mal wirkt die schillernde Oberfläche hart und kalt, wie ein Gesteinsfelsen. Welcher Sphäre entstammt dieses Material und worin besteht sein üblicher Gebrauch?

Ein Paravent, der sich grazil durch den Raum schlängelt, stellt sich uns in den Weg (Screen, 2014). Konzipiert um vor Blicken und Wind zu schützen, Inseln des Privaten und Intimen zu schaffen, markiert der Raumtrenner eine Grenze, auch wenn diese fragil und beweglich bleibt. Schließlich lassen sich bestehende Räume mit Hilfe des Paravents auf einfache Weise umstrukturieren. Der Paravent faltet ein Außen in das Innere eines Raumes ein und umgekehrt. Dies umso mehr Glasflächen unvermutet Blicke zulassen, während im nächsten Moment der Blick durch eine Spiegelung zurückgeworfen wird.

Der Spiegel ist eine zentrale Metapher in den Theorien des Kinos. Wie das Bild des Spiegels erweckt das Filmbild den Eindruck unmittelbarer Anwesenheit, während das, was wir sehen, uns doch absolut unzugänglich bleibt. Ein Bildschirm zeigt einen Film, der das Kino selbst zum Thema macht (KINO, 2012). Es erscheint als Schriftzug, als Objekt, als Vergehen von Zeit, als Verlauf von Tages- zu Kunstlicht.

Kunstlicht ist auch das Material, mit dem ein Scheinwerfer in einem schmalen Gang ein großes rechteckiges Lichtfenster auf die Wand wirft (Lichtrechteck, 2014). Aus der Ferne formt der Kegel des Lichts einen Körper, von Nahem verwandelt er sich in eine leuchtende Fläche auf der Wand.

Auf der anderen Seite der Wand, genau an derselben Stelle, hängt ein Vorhang. Von außen dringt warmes Licht herein, die Streben des Fensters zeichnen ein Muster, der Schattenriss eines Strauches ist zu erkennen (Draußen, 2014). Die Befragung des Raumes und seiner Grenzen, das Spiel von Anwesenheit und Abwesenheit, von Durchblicken und dem Zurückwerfen des Blicks findet sich auch in dieser Arbeit wieder. Denn tatsächlich handelt es sich nur um das Bild eines Fensters, einen Druck auf weißem Leinen. Während die Arbeit einerseits die Vorstellung auf die Welt außerhalb öffnet, betont sie andererseits die Abwesenheit dieser Welt und wirft uns auf unsere Anwesenheit hier vor Ort zurück.

Hier, das ist ein Raum im Raum im Oldenburger Kunstverein, die Kulisse eines White Cube, eingestellt in den größeren Ausstellungssaal. Der durch das Fenster dringende Lichtkegel, so scheint es, durchquert den Raum bis er auf die Aluminiumoberflächen des dem Vorhang gegenüber platzierten Diptychons (Davor, 2014) trifft. Der Raum selbst kommt zur Aufführung und mit ihm jene Ort- und Bezugslosigkeit, die zugleich die Problematik und das Potenzial des White Cube ausmachen: Die notorische Abgeschiedenheit von der kulturellen und sozialen Wirklichkeit einerseits ermöglicht andererseits, immer wieder aufs Neue eigene Welten entstehen zu lassen, in denen sich die Bedingungen und Möglichkeiten der Welt da draußen erproben, erforschen und erörtern lassen.

Jörn Schafaff


 

Bettina Khano

28.3. 2014 – 18.5.2014, Oldenburger Kunstverein, Germany

Here and elsewhere, before and behind, present and absent, simultaneously. Bettina Khano’s works construct spaces of experience, enabling us to grasp the ambivalence of contemporary existence in an exemplary manner. Her sets hover between image and object, the materials she employs are cool, technoid, yet create all but magical surface effects that encapsulate the observer visually as well as with his/her entire physicality. The resultant sceneries formally are reminiscent of the expanded situations of Minimal Art, and beyond this, more recently, evoke the perception of specific spaces, such as a bedroom or a living room. Khano connects with the notion of stage, of theatricality that since the emergence of Minimal Art has been recognized as a characteristic of space-oriented, space-creating art. At the same time, she uses materials and processes that originate in the realms of theatre and cinema. Loosely, flexibly, the individual exhibits occupy the space, solitarily yet interconnected – in their materiality, their placement, by an atmosphere. Thus, the exhibition itself becomes the central focus point and with it, the space that continues to shape the making, the showing and the observation of art: the White Cube.

We are lured into the exhibition by a sculptural object (HD RF-1025, 2014), whose appearance evades all material definition. At times, it appears to be a soft, velvety gown that has just been dropped in the midst of the room and left behind negligently, at times the iridescent surface seems hard and cold, just like a rock. What sphere does this material emanate from and what is its conventional application?

A folding screen, which delicately winds through the room, blocks our path (Screen, 2014). Conceptualized to shelter from glances and wind, to create isles of the private and the intimate, the partition marks a boundary, albeit fragile and mobile. Existing spaces can easily be modified by using a folding screen. A folding screen inverts the external into the internal space and vice-versa. Even more so, as glass inserts unexpectedly open up views, only to be reflected back at the viewer by a mirror.

The mirror constitutes a central metaphor in the theories of cinema. Just as the image of the mirror does, the image of the film evokes the impression of imminent presence, while that, which we see, remains absolutely unapproachable to us. A monitor displays a movie that deals with cinema itself (KINO, 2012 – CINEMA, 2012). It appears as writing, as object, as passing of time, as progression from day- to artificial light.

Artificial light from a spotlight in a narrow corridor draws a large rectangular window of light onto the wall (Lichtrechteck, 2014 – Rectangle of Light, 2014). From afar, the cone of light forms a body, from close up it mutates into a luminous surface on the wall.

Precisely opposite, on the other side of that wall, hangs a curtain. Warm light permeates it from outside, the beams of the window paint a pattern, the silhouette of a bunch of flowers is discernible (Draußen, 2014 – Outside, 2014). Examining space and its boundaries, the interplay of presence and absence, of looking through and throwing back the gaze are reflected in this work. In reality, this is the image of a window, a print on white linen. This work opens up the view of the outside world while simultaneously illustrating its absence, bringing us back to our presence in this specific space.

Here – that’s a space within the space of the Oldenburger Kunstverein, the setting of a White Cube, positioned within the larger exhibition hall. The cone of light that permeates the window appears to traverse the hall until it meets the aluminum surface of the diptych that hangs on the wall opposite the curtain (Davor, 2014 – Before, 2014). The room itself emerges onto the stage and with it the lack of reference, of context that is the essence of the problem and the potential scope of the White Cube: The notorious seclusion from the cultural and social reality on the one hand side allows for the emergence of ever new worlds on the other hand side, within which we can test, explore and debate the conditions and opportunities of the world outside.

Jörn Schafaff